digitale Sat-Receiver mit Festplatte

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Einleitung
Das Konzept
positiv
Die Trägheit des Geräts
schnell vorwärts
das mechanische Problem
Bugs in der Software
und der Videorekorder
Fazit
Gedanken über die Zukunft

Nachtrag - neue Software
Abspann - VDR

Foto: Nokia Mediamaster 9902 S


Einleitung
Im Herbst 2001 (genau am 11.09.2001 !) habe ich mir einen digitalen Sat-Receiver (DVB-S) mit integrierter Festplatte gekauft - einen Nokia Mediamaster 9902 S. Seitdem verband mich mit dem Gerät eine Hassliebe. Der mit der Festplatte verbundene Komfort ist so groß, dass ich darauf nicht mehr verzichten möchte. Die praktische Umsetzung des Konzeptes im konkreten Gerät ist so mangelhaft, dass ich mich jeden Tag über das Gerät ärgerte.

Nachtrag:
Als Nachfolgegerät habe ich mir Ende 2004 einen VDR gebaut.



Das Konzept
Der digitale Sat-Receiver empfängt normalerweise einen MPEG-2-Datenstrom vom Satelliten, decodiert ihn und gibt ihn an den TV aus. Ist eine Festplatte im Gerät integriert, kann man den noch komprimierten Datenstrom auf dieser aufzeichnen, und später wieder auslesen um ihn decodiert zum TV auszugeben. Der MPEG-2-Datenstrom mit 3..5 MBit/s (375 .. 625 kByte/s) stellt keine moderne Festplatte vor Probleme, so dass auch gleichzeitig aufgenommen und wiedergegeben werden kann. Das klappt beim Mediamaster allerdings nur innerhalb der selben Aufnahme.
Durch Druck auf die 'Pause'-ntaste hält man das Bild z.B. um 20.15 Uhr an. Der Mediamaster zeichnet den beginnenden Film auf Festplatte auf. Nach 30 Minuten hat man sich dann vor dem TV eingefunden, und drückt 'Play'. Nun wird zwar weiter aufgezeichnet, aber parallel wird das File vom Beginn an ausgelesen, decodiert und zum TV geleitet. Man sieht das TV-Programm mit 30 Minuten Verspätung. Das tolle darann ist nun, das man während der Wiedergabe der Werbeblöcke schnell vorspulen kann. Somit bleibt einem die Werbequal erspart.
Eine 40 GByte-Festplatte reicht für etwa 20 Stunden Aufzeichnung. Damit kann dieses Gerät viele Aufgaben des Videorekorders übernehmen.

positiv
Der normale SVHS-Videorekorder wurde durch den Receiver von täglicher Routinearbeit entlastet. Eine Sendung, die zu unpassender Zeit kommt und nur einmal angeschaut werden soll, wird nun grundsätzlich mit dem Receiver aufgezeichnet. Dabei wird der Timer großzügig eingestellt, aufgezeichnete Sendungen lassen sich nachträglich vorn und hinten zurechtstutzen.
Auch Filme, die eigentlich ins Archiv sollen, werden erst mal mit dem Sat-Receiver aufgenommen und später überspielt. Es ist einfacher ein Gerät auf Aufname zu programmieren als 2 Geräte, und mangels VPS-Signale (gibt es im digitalen Signal nicht mehr) lässt sich eine Videoaufnahme nie genau timen.
Die Bildqualität ist tadellos (solange alles funktioniert). Bild und Ton sind synchron (was noch nicht bei allen Geräten dieser Art selbstverständlich ist).

die Trägheit des Geräts
Nach dem Einschalten bootet der Receiver (von Festplatte) was eine Weile dauert. Doch das eigentliche Problem kommt bei der Bedienung zu Tage. Der Receiver hat die Ruhe weg. Auf  Tastendrücke auf der Fernbedienung reagiert er oft mit 3..4 Sekunden Verzögerung. Wer da nervös wird und noch mal drückt, schließt das sich öffnende Menue gleich wieder, oder gelangt in Menues, in die er nie wollte. Die Trägkeit des Systems behindert die Bedienung im täglichen Umgang mit dem Gerät enorm.

schnell vorwärts
Will man während der Filmwiedergabe einen Werbeblock überspringen, drückt man die Vorsputaste. Das verdoppelt die Wiedegabegeschwindigkeit. Jeder weiter Tastendruck verdoppelt wieder, so dass nach 5 Tastendrücken der Film mit 64-facher Geschwindigkeit abläuft. Da werden Minuten zu Sekunden. Wenn der Receiver auf Tastendrücke prompt reagieren würde, könnte man damit recht präzise navigieren. Aber durch die Trägheit des Gerätes kann man schon mal 30 Minuten anstatt 8 Minuten vorspulen. Das halbwegs gezielte über-spulen eines Werbeblocks verlangt das Vorausdenken eines Schachspielers, monatelange Erfahrung und natürlich den Verzicht auf Alkohol beim Fernsehen.

das mechanische Problem
Der Einbau einer Festplatte in ein normales Receivergehäuse ist nicht trivial. Jedenfalls nicht so trivial, wie der Hersteller dachte. Die HD trägt zwar eine dünne Gummiarmierung, ist ansonsten aber fest in den Receiver eingeschraubt. (übrigens mit der Oberseite nach unten, ob das die Lager mögen?). Dadurch ist das Betriebsgeräusch der HD immer deutlich hörbar. Außerdem übertragen sich die Vibrationen der HD auf die Frontklappe des Geräts, die gern und laut mitvibriert. Die erste HD starb nach 4 Monaten. Die neue scheint länger leben zu wollen.
Die HD benötigt der Receiver nur zum Booten und zum Speichern/Lesen von Sendungen. Für den normalen Empfang von Sat-Programmen ist sie überflüssig. Trotzdem läuft sie meist brummend mit. Nach dem letzten Festplattenzugriff wartet der Receiver 1 Stunde, bis er die unbenutzte Festplatte endlich abschaltet. Das heißt auch, dass die Festplatte immer nach dem Einschalten für mindestens eine Stunde läuft, auch wenn man nur normal Sat-TV schaut.

Bugs in der Software
Die Aufzeichnung auf HD ist nicht gerade besonders zuverlässig. Des öffteren passierte es schon, dass ich mich mitten in einem aufgezeichneten Film plötzlich in eine alte Aufnahme versetzt sah. Der Rest der neuen Aufnahme war im Nirvana verschwunden. Genauso finden sich plötzlich in alten Aufnahmen Stücke einer neuen Aufnahme. Pech gehabt. Die Ingeneure haben offensichtlich auf ein sicheres durchdachtes Filesystem verzichtet.

Was dem Gerät dringend fehlt ist eine HD-Defragmentier-Funktion. Stattdessen bietet es nur einen HD-Gesamtlöschung an. Das ist nicht ganz das selbe.

Der Videotext von Pro7 funktioniert einfach nicht.

Mit der aktuellen Software des Receivers lässt sich auch bei Zweikanal-Ton keine Sprache mehr auswählen. Das dafür nötige Menue öffnet sich einfach nicht. Da ziehe ich dann den Stecker aus dem japanisch spechenden Lautsprecher am rechten Stereokanal - high tec !

Der vom Videorekorder bekannte und beliebte OTR-Knopf (one touch recording) mit dem sich spontan eine Aufnahme starten ließ, die nach einer einstellbaren Zeit automatisch stoppt, gibt es an diesem Gerät nicht.

und der Videorekorder
den braucht man natürlich immer noch. Man kann zwar einen Film mit dem Sat-Receiver aufnehmen, aber viele Filme passen nicht auf die Platte. Irgentwann muss man sie also auf Kassette überspielen. Und das nach Möglichkeit, bevor die Aufnahme durch einen Bug zerstört wurde. Dabei fällt dann unangenhm auf, dass der Mediamaster an beiden Scart-Buchsen das on-screen-Menue einblendet. Wird also beim Überspielen eine Taste am Receiver gedrückt (z.B. die Lautstärke  abgeschaltet, oder mal nachgeschaut, die lange die Aufname noch läuft), dann wird das Menue eingeblenden, und vom Videorekorder aufgezeichnet.
Mein alter analoger Sat-Receiver blendete Menues nur an der TV-Scart-Buchse ein, während die Buchse für den VCR von solchen Dingen unbehelligt blieb.

digitale Kopie von der HD auf SVCD/DVD
Eine digitale Schnittstelle mit der sich die aufgezeichneten Video-Daten vom Receiver auf einen PC überspielen ließen gibt es nicht, und wird es wohl auch nicht geben. Die Sat-Receiver-Hersteller haben wohl Angst vor der Filmindustrie. (Auf dem US-Markt existiert offensichtlich ein Nokia-Receiver mit SCSI-Interface, mit dem sich die Videodaten auslesen lassen.)
Da kann man nur noch versuchen, die HD direkt auszulesen. Es gibt aber keinen einheitlichen Standard, nach dem die verschiedenen HD-Sat-Receiver die MPEG-2-Files auf der HD ablegen. Einige Entusiasten haben es trotzdem geschafft, von den Festplatten einiger Receiver die Daten am PC auszulesen. Dazu muss die HD natürlich aus dem Receiver ausgebaut und an den PC angeschlossen werden. Ich halte es nicht für praktikabel, die HD ständig zwischen Receiver im Wohnzimmer und PC im Arbeitszimmer hin-und-her zu transplantieren. Denkbar wäre das Verlegen der HD aus dem Receiver in ein externes Gehäuse mit Wechselramen. Dabei könnte man gleich den HD-Geräuschen an den Kragen gehen.

Im Prinzip ist es aber einfacher eine DVB-S Karte in den PC zu stecken, und Sat-TV dann direkt am PC aufzunehmen.
 

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Fazit
Wenn die Entwicklungsingeneure Produktpflege betreiben anstatt in Featuritis zu verfallen, können digitale Satreceiver mit Festplatte in 1..2 Jahren brauchbare Geräte geworden sein.

Wenn die Entwickler genau wissen wollen, was alles verbessert werden muss, dann sollten sie ihr eigenes Produkt dauerhaft in's heimische Wohnzimmer stellen, und ihre Ehefrauen mit der Bedienung betrauen. Frauen sind bei der Analyse der Bedienbarkeit oft schonungslos direkt, und lassen sich nicht von technischen Gimmicks blenden. Es kommt ihnen nicht darauf an das tollste Gerät zu besitzen, sondern darauf,  TV zu sehen.
 

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Gedanken über die Zukunft
Was passiert eigentlich, wenn alle Fernsehzuschauer mit Festplattenreceivern (alternativ auch mit Festplatten-TV-Geräten) ausgestattet sind? Wenn niemand mehr die Werbung sieht, da er sie überspringen kann, wird die Industrie dann noch bereit sein, Millionen für TV-Werbung auszugeben? Natürlich nicht. Diese Entwicklung sägt an den Fundamenten des Privat-Fernsehens. Dort wird man andere Wege suchen Programm und Werbung untrennbar zu verknüpfen. Vielleicht Splitscreen (wie schon in der Formel 1) oder laufende Werbeeinblendungen im Film.
Warscheinlich wird irgentwann dann das (bis dahin überall eingebaute) DRM (digital rights management) es nicht mehr erlauben, die Werbung zu überspringen. Dann wird es heißen: wer Film sehen will, muss auch Werbung schauen. Wer dann die Werbung überspringen will, muss zahlen. Das Modem im Receiver wird bei jedem nicht gesehenen Werbelock innerhalb einen Films per Internet eine Gebür abbuchen. Dadurch kompensieren die Sender die verringerten Werbeeinnahmen. Die Grenzen zwischen privatem Free-TV und Pay-TV werden verschwimmen. Klingt doch logisch - oder ?
Ich kann das dann der Industrie noch nicht einmal übel nehmen - aber ich hasse es jetzt schon im voraus.

Vielleicht entwickelt sich die Kreativität der Werbebranche ja auch in eine weniger restriktive Richtung, und sie schaffen es, Werbung wirklich unterhaltsam zu gestalten, um ihre Zuschauer zu fesseln. Man soll die Hoffnung nie aufgeben.

Ich habe seit Jahren praktisch keine TV-Werbung mehr gesehen, ich habe wirklich keine Ahnung was da gerade für Spots laufen. Und glaubt mir, ich vermisse es nicht.

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Nachtrag - neue Software
Anfang 2003 veröffentlichte Nokia die neue Software-Version 3.0 für den Mediamaster 9902S. Die neue Version macht einen deutlich besseren Eindruck, als ihr Vorgänger. So schaltet sich die Festplatte jetzt nach dem Booten sofort ab. Auch scheint das Gerät nun deutlich schneller auf den Benutzer zu reagieren. Das Rekorder-Menue wurde optisch etwas zurückhaltender gestaltet. Kleinere Änderungen findet man auf Schritt und Tritt, z.B. kann man jetzt eine Aufnahme zerschneiden, oder eine neue Aufnahme an eine alte anhängen (lediglich das Zusammenfügen zweier Aufnahmen geht leider nicht).

Die Zeit muss zeigen, wie gut es ist. Auf jeden Fall ist es aber ein Schritt in die richtige Richtung, und ich glaube jedem 9902S-Besitzer das Update dringend anraten zu können.

Das Aufspielen der neuen Software war aber wiedereinmal ein Erlebnis für sich:
Eigentlich ist alles ganz einfach: Man wählt den richtigen TV-Kanal, geht in das richtige Menue und starten den Download per Tastendruck. Von nun an darf das Gerät nicht gestört werden, bis es fertig ist. Ansonsten hat man ein nur halb 'geflashtes' Betriebssystem, und der Receiver kann dann nur noch vom Hersteller wiederbelebt werden. Anfangs lief dann auch alles ganz normal. Aber nach einer Weile blieb die Anzeige des Receivers mit einer unbekannten kryptischen Anzeige stehen.

Was nun? Eine unbekannte Fehlfunktion? Also RTFM ! Der Blick in's Handbuch brachte auch keine Klarheit - diese Anzeige gab es laut Manual nicht.

Vielleicht ist das Web schlauer! Ich ließ den Receiver mit seinen optischen 'Hilfeschrei' allein, und surfte zu Nokia. Kein Hinweis auf die kryptische Anzeige auf der Page selber. Vielleicht ist das herunterladbare Handbuch neuer und enthält den neuen Code? Also das Manual heruntergeladen, geöffnet und gestaunt. Das aktuelle Manual beschreibt die alte Software, und kennt die unbekannte Anzeige auch nicht.

Verzweifelt gehe ich zurück in's Wohnzimmer. Wenn ich den Stecker ziehe, ist das dann das 'Todesurteil' oder das gewünschte 'Reset' für den Receiver? Aber es war zu spät zum Grübeln, der Receiver hatte die Anzeige inzwischen gewechselt, und sich seines Jobs als Tuner erinnert. So lösen sich Probleme manchmal von selbst.

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Abspann - VDR
Ende 2004 habe ich meinen Nokia-Mediamaster in den Ruhestand versetzt, und benutze jetzt einen VDR auf Linux-Basis.
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Autor: sprut
erstellt: 12.11.2002
letzte Änderung: 06.03.2005